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Mittwoch, 12 Mai, 2021

Was ist Hypnose? Als Hypnose bezeichnet man einerseits Bewusstseinszustände, die vom gewöhnlichen Alltags-Wachbewusstsein abweichen. Andererseits meint man mit Hypnose eine Methode, jemanden in eben so einen abweichenden Bewusstseinszustand zu versetzen. Anders ausgedrückt: Mit Hypnose versetze ich jemanden in Hypnose. Ich unterscheide beides begrifflich, indem ich einerseits von Hypnose spreche – und damit Hypnose als Methode meine – und andererseits von hypnotischer Trance – und damit den veränderten Bewusstseinszustand bezeichne.

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Was ist eine hypnotische Trance?

Was ist ein veränderter Bewusstseinszustand? Das ist nicht so leicht zu beantworten, denn genau genommen bewegen wir uns ständig zwischen unterschiedlichen Bewusstseinszuständen hin … und her. Insofern müsste ich dann auch eher von einem Bewusstseins-Prozess als von einem Bewusstseins-Zustand sprechen, um den Veränderungscharakter des Bewusstseins zu verdeutlichen. Der Einfachheit halber sei gesagt: Eine Trance tritt dann ein, wenn Du Dich intensiv auf eine Sache konzentrierst und damit Deine Sinneswahrnehmungen stark einschränkst oder ganz ausblendest. Beispiele dazu kannst Du in diesem Hypnose-Podcast hören.

Ist Hypnose Schlaf?

Trance ist etwas anderes als Schlaf – das hatte schon der schottische Arzt James Braid Mitte des 19. Jahrhunderts festgestellt. Darüber hatte ich in der letzten Folge zum Thema Geschichte der Hypnose gesprochen.

Auch wenn viele Menschen Trancezustände als entspannend erleben, weil dabei oft der parasympatische Teil unseres Nervensystems überwiegt, wir also auf Regeneration und Erholung ausgerichtet sind, ist das Gehirn in leichten und mittleren Trancetiefen sehr aktiv.

Während einer Trance kann die Körperwahrnehmung verändert sein, ebenso wie das Zeitgefühl. Der formal-logisch-reflektierende Verstand ist stark reduziert bzw. ausgeschaltet. Deshalb ist es in Trance ähnlich wie beim Träumen möglich, kreative Lösungen zu finden, die sonst durch den engen Rahmen unseres rationalen Verstands nicht zugelassen werden.

Für wen eignet sich Hypnosetherapie?

Hypnose als Therapie eignet sich besonders dann, wenn sich der Klient durch sein rationales Denken sozusagen selbst im Weg steht. Die Aufgabe des Hypnosetherapeuten besteht nicht darin, feste Lösungswege vorzugeben, sondern vielmehr in der Kommunikation mit dem Klienten mentale Prozesse anzuregen, die diesem Veränderung ermöglichen.

Wie funktioniert Hypnosetherapie?

Veränderung ist nichts, was man von Außen vorgeben, verordnen oder steuern kann. Denn der menschliche Geist kann als ein selbstorganisiertes System verstanden werden, das operational geschlossen ist. Das heißt, das auf einen Einfluss von Außen zwar selbstregulierende interne Mechanismen in Gang gesetzt werden – zumindest dann wenn der Einfluss das Gleichgewicht des Systems verstört – was der Fall ist, wenn der Mensch Ungereimtheiten seines bisherigen Weltbilds bemerkt, sodass eine Veränderung notwendig wird. Die Reaktion erfolgt jedoch gemäß der eigenen komplexen inneren Logik und ist von außen nicht vorherbestimmbar. In anderen Worten: Die Prozesse des Denkens und Fühlens können von außen nicht gesteuert werden. Denn entscheidend für das auf eine Beeinflussung folgende Denken-, Fühlen und Handeln ist die individuelle kognitive Verarbeitung. In meinem Podcast gebe ich Dir dazu ein Beispiel.

Ein Patient kommt zur Hypnosetherapie, weil er ein ganz bestimmtes Anliegen oder Problem hat. Er hat irgendwelche Symptome oder kommt mit seiner Art zu denken und bestimmte Dinge im Leben anzupacken nicht weiter. Es muss sich etwas verändern. Zu einer Veränderung des Denkens, Fühlens und Handelns durch Therapie kommt es dann, wenn es dem Therapeuten gelingt, das mentale System des Patienten zu verstören.

Du kannst Dir in etwa so vorstellen: Jemand hat ein ganz bestimmtes Bild im Kopf, wie die Welt funktioniert, zusammengesetzt aus lauter einzelnen Puzzelsteinen, seinen Erfahrungen. Nun stellt er fest, dass er mit diesem Bild in manchen Situationen nicht weiter kommt. Er geht deshalb zu einem Therapeuten. Dieser bietet ihm nun neue Puzzelsteinen zur Auswahl. Er fordert ihn auf, auszuprobieren, diese Steine in sein Puzzelbild mit einzufügen. Der Betreffende probiert ein Teil an der einen Stelle und ein anderes an einer anderen. Manche Teile legt er wieder zur Seite, weil sie sich nicht an seine eigenen Puzzelsteine anbauen lassen. Andere Teile passen ganz gut. Und irgendwann betrachtet er sein ganzes Bild von neuem und stellt fest: Es hat sich irgendwie verändert.

Je besser der Therapeut das ursprüngliche Bild seines Klienten kennt, desto leichter fällt es ihm, neue Teile zur Auswahl anzubieten, die einerseits zu den alten Teilen passen, andererseits trotzdem verschieden genug sind, damit sich ein neues Gesamtbild ergibt. Hypnose ist deshalb idealerweise immer eingebettet in eine Gesprächstherapie.

Was ist das Paradox der Veränderung?

Wohl gemerkt kann es paradoxerweise zu einer Veränderung kommen, wenn der Klient, der mit dem Wunsch sich zu verändern zur Therapie kommt, spürt, dass er sich nicht zu verändern braucht – nämlich dann, wenn er eine schlechte Meinung über sich selbst hat. Oder weil er sich bisher selbst verboten hat, bestimmte Gefühle zu fühlen, weil er gelernt hat, dass diese nicht akzeptabel sind. Dann wirkt es sozusagen als Verstörung, wenn sich der Klient aufgrund der wohlwollenden Akzeptanz des Therapeuten wertgeschätzt und angenommen fühlt, weil dieser signalisiert: „Du bist vollkommen in Ordnung, so wie Du bist.“

Was ist eine Suggestion?

Eine Suggestion ist eine manipulative Beeinflussung, also so etwas wie eine Einflüsterung des Hypnotiseurs. In Trance ist man generell empfänglicher für Suggestionen. Allerdings ist es aus dem gerade genannten Grund eben nicht möglich, genaue Vorhersagen zu treffen, ob und wie der Hypnotisierte eine Suggestion umsetzt. Damit eine Suggestion die gewünschte Wirkung erzielt, muss sie passen. Deshalb muss ein Hypnosetherapeut entweder vielfältige und sehr offen formulierte Suggestionen verwenden, die dem Klienten einen großen Interpretationsspielraum ermöglichen – im Vertrauen, dass der Klient diese Anregungen so verarbeitet, dass sie in Hinblick auf sein Ziel nützlich sind. Oder der Therapeut muss seine Suggestionen vorher im Dialog mit dem Klienten erarbeiten und mit ihm und auf ihn abstimmen. Anders ausgedrückt: Der Hypnosetherapeut muss seinen Klienten kennen- und verstehen lernen. Er muss den Bedeutungsgehalt der Suggestionen gemeinsam mit dem Klienten konstruieren.

Wie kann man jemanden Hypnotisieren?

Hypnose ist nichts magisches oder ungewöhnliches. Ein Hypnotiseur hat keine übersinnlichen Kräfte. Er nutzt lediglich gezielt bestimmte, alltägliche Sprachmuster und seine Beobachtungen der Reaktionen seines Gegenübers. Und er lenkt die Wahrnehmung seines Gegenübers gezielt auf Dinge, die dieser normalerweise nicht wahrnimmt … die Wahrnehmung wird sozusagen verschoben. Und da das Bewusstsein eng mit der Wahrnehmung gekoppelt ist, kann sich dann auch das Bewusstsein verändern …
All das ist keine Zauberei, man kann es lernen.

„Eigentlich ist jede Kommunikation Hypnose“ behauptete der Sprachwissenschaftler John Grinder am Anfang von Hypnose-Seminaren, die er zusammen mit seinem Kollegen, dem Psychologen Richard Bandler hielt. Und Grinder antwortete ihm dann: „Da muss ich widersprechen. Nichts ist Hypnose – so etwas wie Hypnose gibt es nicht.“

Was die beiden damit sagen möchten: Die Sprachmuster, die von einem Hypnotiseur gezielt genutzt werden, um andere Menschen in Trance zu leiten, sie zu beeinflussen oder Veränderungen anzuregen, werden ständig in unserer alltäglichen Kommunikation benutzt. Und jede Art sich mitzuteilen übt einen Einfluss auf das soziale Umfeld aus. Insofern stimmt sowohl die These, dass jede Kommunikation Hypnose ist, als auch die Antithese, dass es Hypnose nicht gibt, da Hypnose als ein abgegrenztes Phänomen nicht existiert. Hypnose ist so gesehen also gelingende Kommunikation.

Was ist Hypnose?

Und noch etwas ist Hypnose, wenn sie auf Wunsch des Patienten in der Praxis eines Psychotherapeuten, Arztes, Zahnarztes oder Heilpraktikers … oder auf der Bühne eines Show-Hypnotiseurs angewendet wird: Ein Ritual.

Hypnose bildet einen kommunikativen Rahmen, auf den sich die Beteiligten geeinigt haben. Es gibt also gar nicht „die Hypnose“. Es gibt nur das, was die Beteiligten für Hypnose halten. Welche Erlebens- und Verhaltensweisen Ausdruck von Hypnose sind, hängt letztendlich davon ab, was in der jeweiligen Situation als Hypnose interpretiert wird.

Wie hilft Hypnosetherapie?

Hypnosetherapeuten bedienen sich oft einer bildhaften, metaphorischen Sprache, sie nutzen Verallgemeinerungen, Generalisierungen und Tilgungen, um dem Klienten die Möglichkeit zu geben, die dabei entstehenden Spielräume mit seiner eigenen Phantasie zu füllen. Der Meister-Hypnosetherapeut Milton Erickson erzählte seinen Klienten und Schülern häufig Geschichten und Anekdoten, um sie indirekt auf neue Ideen zu bringen.

Hypnosetherapie nutzt also immer die Vorstellungskraft und Phantasie, die Fähigkeit zu imaginieren und alternative Wirklichkeiten zu schaffen. In der Phantasie ist alles möglich. In der Vorstellung kann man zukünftige Situationen durchspielen und dabei wünschenswerte Verhaltensweisen in Gedanken üben. Ebenso lässt sich in der Phantasie Vergangenes verändern. Denn die Vergangenheit, an die man sich erinnert, ist eine Geschichte, die man sich quasi selbst beim Erinnern erzählt. Und was ist die Erinnerung an unsere Vergangenheit letztendlich anderes als ein Narrativ, also eine sinnstiftende Erzählung, die Einfluss hat auf die Art, wie wir die Welt wahrnehmen? Geschichten lassen sich neu erzählen …

Wer ist hypnotisierbar?

Häufig werde ich gefragt: Bin ich überhaupt hypnotisierbar? Ich sage dann: Da bin ich mir sicher. Vielleicht nicht zu jeder Zeit oder von jedem Hypnotiseur. Aber grundsätzlich ist jeder Mensch fähig, auf die eine oder andere Weise in Trance zu gehen. Ob Hypnose gelingt, ist abhängig vom kommunikativen Zusammenspiel zwischen Hypnotisierten und Hypnotiseur. Dabei spielt das Vertrauensverhältnis ebenso eine wichtige Rolle, wie die methodische Flexibilität und Beobachtungsfähigkeit des Hypnotiseurs. Vor allem geht es in der therapeutischen Praxis nicht um das Spiel von Macht und Ohnmacht, wie es auf der Bühne so mancher Showhypnotisuere zelebriert wird, die damit viele Vorurteile über Hypnose auslösen. Ganz im Gegenteil wäre es absolut kontraproduktiv, denn viele psychischen Probleme lassen sich auf Machtmissbrauch zurückführen.


Literaturhinweise:

  • Revenstorf / Peter (2005): Hypnose in Psychotherapie, Psychosomatik und Medizin – Manual für die Praxis. Springer Verlag
  • Kaiser Rekkas, Agnes (2001): Klinische Hypnose und Hypnotherapie – Praxisbezogenes Lehrbuch für die Ausbildung. Carl-Auer-Systeme Verlag
  • Simon, F. B. (1995): Die andere Seite der Gesundheit. Ansätze einer systemischen Krankheits- und Therapietheorie. Carl-Auer-Verlag
  • Grinder, John / Bandler, Richard (1985): Therapie in Trance – Hypnose: Kommunikation mit dem Unbewußten. Klett-Cotta
  • Beisser, Arnold R. (1997): Wozu brauche ich Flügel? Ein Gestalttherapeut betrachtet sein Leben als Gelähmter. Köln: Peter Hammer Verlag, 3. Auflage 2005


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