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Freitag, 9 April, 2021


In dieser zweiten Folge von Ganzheitlich Du, dem Podcast für Psychologie, Bewusstsein und Hypnose geht es um die Geschichte der Hypnosetherapie.

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Von Schamanen und Heilern der sogenannten Naturvölker wurden Methoden zur Selbst- und Fremdbeeinflussung zum Erreichen einer Trance ebenso genutzt wie von Priestern in den alten Hochkulturen Ägyptens oder Griechenlands: Bei rituellen, kultischen, meditativen und religiösen Handlungen versuchte man durch Trance-Erfahrungen Gott und Göttern näher zu kommen, Dämonen auszutreiben, Krankheiten zu heilen, Visionen über die Zukunft zu erhalten oder in Kontakt mit den Ahnen, Krafttieren oder Naturgeistern zu treten.

Den Beginn der Hypnosetherapie der Neuzeit lässt sich auf das Jahr 1774 datieren.
Zu dieser Zeit praktizierte der deutsche Arzt Franz Anton Mesmer eine Methode, mit der er durch Auflegen von Magneten auf erkrankte Körperstellen erstaunliche Heilerfolge erzielte. Später benutzte er für seine Heilungen nur noch seine Hände, die er über den Körper der Patienten strich. Seine Erfolge schrieb er einer kosmischen Kraft zu, die er „universelles Fluidum“ oder „Magnetismus animalis“ nannte. Durch seine Methode sollte die ungünstige Verteilung dieses Magnetismus im menschlichen Körper aufgelöst werden, die er als Ursache für die Krankheiten seiner Patienten ansah. Dieses sogenannte „Mesmerisieren“ war später im 19. Jahrhundert sehr bekannt.

Zur selben Zeit wie Mesmer, also um 1770 herum, machte im Allgäu und später in Regensburg der katholische Jesuiten-Pater Johannn Joseph Gaßner durch Heilungen mit Exorzismus von sich reden. Umsessenen, also von körperlicher Krankheit geplagte, als auch Besessenen, d.h. psychisch Leidende, wurde der Teufel von ihm ausgetrieben. Der Pater war den Aufklärern der Bayrischen Akademie der Wissenschaften ein Dorn im Auge. Du musst bedenken: Die letzten Hexenverbrennungen lagen erst wenige Jahre zurück.

Mesmers Theorie des animalischen Magnetismus, die er auf Gesetzmäßigkeiten der Natur aufbaute, war im Vergleich zu Gassners Exorzismus sehr modern. So erhielt Mesmer von der Akademie den Auftrag zu bestätigen, dass Gassners Heilungen nicht wirklich auf Teufelsaustreibungen zurückzuführen waren. Letztendlich entschied Mesmer den Streit zwischen Aufklärung und christlich-mittelalterlichem Aberglauben. Gassner wurde der Exorzismus untersagt, auf Geheiß des Kaisers aus Regensburg verwiesen und vom Bischof in eine unbedeutende Pfarrei versetzt, wo er als Dekan seinen Lebensabend verbrachte und nicht weiter beachtet wurde.

Dennoch stieß auch Mesmers Heilmethode vielfach auf Skepsis. Die medizinischen Fakultäten in Wien und Paris hielten sie für Betrug. 1784 urteilte eine extra einberufene königlich franzöische Kommision aus Wissenschaftlern, dass es keinen klaren Zusammenhang zwischen der Behandlung und dem Heilungserfolg gäbe.

Nachdem sich Mesmer zur Ruhe gesetzt hatte, übernahm sein Schüler, der französische Adlige Marquis de Puységur in den 1780er Jahren die öffentlichen Behandlungen und fand zahllose Nachahmer. Auf diese Weise erlangte das Mesmerisieren trotz des vernichtenden Urteils der Fachwelt unter der französischen und deutschen Oberschicht große Beliebtheit. Mehrere Schulen und Fachgesellschaften wurden zwischen 1780 und 1790 gegründet. In Berlin und in Bonn wurden 1816 sogar Lehrstühle für Mesmers Animalischen Magnetismus eingerichtet.

De Pyuségur machte bei seinen Behandlungsversuchen andere Beobachtungen als die Phänomene, die Mesmer beschrieben hatte. Während Mesmers Patienten für gewöhnlich theatralisch anmutende krampfartigen Schüttelanfälle zeigten, blieben einige von de Pyuségurs mesmerisierten Patienten eher ruhig und fähig zur Kommunikation mit dem Behandler. De Pyuségur bezeichnete diese Erscheinungsform als „magnetischen Schlaf“ oder Somnabulismus. Im Unterschied zu Mesmer schriib De Pyuségur die Wirkung seiner Behandlungen nicht einem „universelles Fluidum“ bzw. „Magnetismus animalis“ zu. Er hielt den psychologischen Aspekt des kommunikativen Zusammenspiels in der Beziehung zwischen Mesmerisierer und Mesmerisierten für ausschlaggebend. Damit ist letztendlich De Pyuségur als derjenige zu betrachten, der als erster Pionier der modernen Hypnose eine heute noch gültige Erklärung lieferte.

Der Philosoph und Gesellschaftskritiker Friedrich Engels kritisierte in einem zu Lebzeiten unveröffentlichten Text den Mesmerismus. Nach eigenen Mesmerisierungs-Experimenten ohne Magnete kam er zum dem Schluss, dass die beobachteten Verhaltensweisen des Patienten von der Erwartungshaltung des Behandlers abhingen, die dieser verbal oder noverbal kommunizierte.

Im November 1841 wurde der schottische Arzt James Braid durch eine Vorführung des Magnetiseurs Charles Lafontaine auf den „Animalischen Magnetismus“ aufmerksam. Da Braid der Auffassung war, dass das Phänomen wissenschaftlich erforschbar sein müsste, begann er mit Versuchspersonen zu experimentieren. Er bat diese, glänzende Gegenstände mit den Augen zu fixieren. Auf diese Weise gelang es ihm, sie in einen Trance-Zustand zu geleiten. Braid erkannte den zugrunde liegenden Zusammenhang zwischen psychischen Vorgängen und körperlichen Reaktionen. Er gebrauchte den Ausdruck Neurohypnology und definierte ihn als „nervous sleep“. Dieser unterscheide sich laut Brad jedoch stark vom natürlichen Schlaf. Dies war ein weiterer Baustein für ein neues Verständnis von Hypnose: weg von einer von außen kommenden Kraft und hin zu einem psychologischen Erklärungsmodell.

Ende des 19. Jahrhunderts lieferten sich zwei Hypnoseschulen heftige theoretische Auseinandersetzungen. Die Schule von Nancy von Hippolite Bernheim und die Schule von Salpêtrière in Paris. Dort lehrte und forschte der Psychater Jean-Martin Charcot. Charcot genoss einen ausgezeichneten Ruf und leistete bedeutende Arbeit auf dem Gebiet der Neurologie.

Charcot suchte eine organische Ursache für die theatralischen, aufmerksamkeitsheischenden Verhaltensweisen, die vor allem viele seiner jungen weibliche Patientinnen zeigten und damals als Hysterie diagnostiziert wurde. Dafür experimentierte er auch mit Hypnose. Er kam zu dem Schluss, dass Hypnose eine künstlich hervorgerufene Hysterie sei. Vor einem staunenden Fachpublikum versetze der pathetische und herrische Oberarzt junge Frauen durch seine „Schreckhypnose“ in Trance. Auch der junge Sigmund Freud gehörte zu den Bewunderern Charcots.

Sigmund Freud besuchte Charcot 1895 bis 1896 und versuchte Hypnose bei seinen eigenen Patienten anzuwenden. Es ist nicht klar, warum er damit wenig Erfolg hatte und die Hypnose wieder fallen lies – auch wenn es sich darüber vortrefflich spekulieren lässt. Sicher ist jedoch, dass er in Abkehr zur Hypnose seine eigene Technik der freien Assoziation entwickelte. Durch die Bekanntheit und den Einfluss Freuds auf die Psychotherapie im deutschsprachigen Raum verlor Hypnose als therapeutische Technik Anfang des 20. Jahrhunderts an Bedeutung.

Der bedeutendste Vertreter des 20. Jahrhunderts und Vater der modernen, nicht-direktiven Hypnosetherapie war der amerikanische Arzt und Psychiater Milton Erickson. Er war wie kein anderer ein Meister der Hypnose. Ihm ist es zu verdanken, dass Hypnose in der Psychotherapie in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wieder Anerkennung fand. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen haben die Auffassungen über Hypnose revolutioniert.

Erickson erkrankte im Alter von 18 Jahren an Kinderlähmung. Er lag mehrere Tage im Koma und war anschließend vollkommen bewegungsunfähig. Er saß in einem Schaukelstuhl und wünschte sich sehnlichst, aus dem Fenster zu schauen. Und könnt Ihr Euch vorstellen, was dann passierte? Der ehestuhl bewegte sich. Leicht aber immerhin eine Bewegung. Durch dieses Erlebnis ermuntert, gelang es Erickson, seine Muskeln mithilfe seiner Vorstellungskraft nach und nach wieder zu aktivieren und sich wieder zu bewegen. Durch beharrliches Üben konnte nach einiger Zeit sogar wieder gehen.

Während seines folgenden Studiums der Medizin begann Erickson sich eingehender mit Hypnose zu beschäftigen. Er entwickelte einen eigenen Ansatz, der im Gegensatz zu den standartisierten und autoritären Techniken die Individualität jedes Menschen betont. Für jeden Patienten müsse ein eigener Ansatz und Zugang gefunden werden. Erickson nutzte flexibel jede Reaktion des Patienten zur Tranceeinleitung und für Veränderungsprozesse. Erickson betrachtete im Gegensatz zu Freud das Unbewusste als eine unerschöpfliche Quelle ungenutzter Erfahrungen zur kreativen Selbstheilung. Es ging ihm nicht darum, seinen Klienten Lösungsstrategien vorzugeben. Vielmehr wollte er sie unterstützen, die durch starre Denkmuster begrenzte Fähigkeit des Bewusstseins zu erweitern, um Wege zur Problemlösung zu finden. Oft erzählte er seinen Patienten und Schülern Geschichten, Anekdoten und Metaphern, um ihnen indirekt Möglichkeiten zur Veränderung anzubieten. Damit lässt sich Ericksons Hypnosetherapie als einen humanistischen Ansatz der Psychotherapie betrachten.

Dank Erickson und seiner Schüler findet Hypnose heute wieder Anwendung in Praxen deutscher Psychotherapeuten, Ärzte, Zahnärzte und Heilpraktikern. Seit einem Gutachten des wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie von 2006 gilt Hypnosetherapie in Deutschland als anerkannt.


Literaturhinweise:

  • Revenstorf / Peter (2005): Hypnose in Psychotherapie, Psychosomatik und Medizin – Manual für die Praxis. Springer Verlag


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